Der Japanische Zen-Meister Shunryu Suzuki prägte den Spruch „Zen-Geist ist Anfängergeist“ und erinnerte unermüdlich seine Schüler, die Meditation stets mit dem Geist eines Anfängers zu
praktizieren.
Was bedeutet das eigentlich?
Das bedeutet ganz wach und offen zu sein für alles was sich im Moment ereignet, für alles was uns begegnet. Die Welt mit lernbegierigen, unvoreingenommenen Augen sehen, das zulassen was gerade ist, im Jetzt präsent sein ohne zu bewerten, ohne zu benennen. Mit dem Lebensfluß fließen, ohne sich an Steinen oder Baumwurzeln fest zu halten.
Sobald wir meinen, Zusammenhänge in einer Sache erkannt zu haben, glauben wir über etwas Bescheid zu wissen und beginnen „das was ist“ von „dem was nicht ist“ abzugrenzen. Wir laufen Gefahr
mentale Konstrukte und Gewohnheitsmuster zu bilden, sie zu verteidigen und danach zu leben. Wir sind nicht mehr offen und aufmerksam für das, was sich gerade im Moment ereignet, sondern leben aus
der liebgewonnenen, vermeintlichen Sicherheit heraus. Wir konstruieren Räume in welchen wir uns mental und emotional sicher bewegen und glauben immer zu wissen, wo rechts und links, oben und
unten ist.
Wir machen die Erfahrungen, die sich in der Vergangenheit ereignet haben, zu Grundlagen unseres Denkens und Handelns im Jetzt, vermeiden Dinge die in unser selbstgemachtes Weltbild nicht
hineinpassen und suchen nach Dingen, die unsere Ansichten und Lebensweisen bejahen und uns vermeintliche Sicherheit versprechen.
Als Meister Shunryu Suzuki bei einer buddhistischen Schülergemeinschaft in den USA seinen Besuch ankündigte, brach in der Gemeinschaft eine arbeitsreiche Vorbereitungszeit an. Alles für den würdevollen Empfang des Meisters wurde genau geplant und mit den Vorbereitungsarbeiten wurde rechtzeitig begonnen.
Als die Schüler mitten drin beim Putzen, Kochen und Aufräumen waren, erschien plötzlich der Meister – einen ganzen Tag zu früh! Die Situation war ziemlich unangenehm, nichts war fertig, überall lag Putzzeug und es gab keine schönen Blumen und Dekorationen im Empfangsraum. Meister Suzuki blieb aber bei guter Laune, krempelte die Ärmel seiner schwarzen Robe hoch und begann zusammen mit den Schülern zu putzen und den Empfangsraum für seinen eigenen Empfang vorzubereiten.
Eine herrliche Geschichte! Ich wäre so gerne dabei gewesen …
Es ist ein seelischer Reifungsprozess, in welchem wir zuerst das Gefühl entwickeln, alles unter Kontrolle zu haben, alles zu wissen und zu verstehen, bevor uns das Leben ordentlich prüft, schleift, eines Besseren belehrt und uns immer wieder aufzeigt, dass wir in Wirklichkeit noch gar nichts verstanden haben.
Wer ist also Meister und wer ist Schüler? Wo ist der Unterschied zwischen den beiden?
Diese Frage sollten sich Yogalehrer und Yogaschüler immer wieder stellen.
Denn, nicht die Anzahl der Jahre die wir auf der Yogamatte schwitzend verbracht haben, sondern der Anfängergeist ist der Schlüssel zum bewussteren Leben.
Übe daher jede Asana, jede Atem- und Konzentrationsübung so bewusst und präsent, als ob du sie zum ersten Mal in deinem Leben üben würdest. Mache dir immer wieder bewusst, dass du Nichts weißt – nur diese Geisteshaltung macht aus dir einen Meister. -- Sanja
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